„...Und sollten Sie auf den Gedanken kommen, auf eigene Faust
Recherchen anzustellen, dann unterzeichnen Sie Ihr Todesurteil...Geben
Sie mir das Buch oder vernichten Sie es selbst. Es gibt Dinge, an die
rührt man besser nicht...“
Obige Mahnung erhält Finch von Khamis
Al-Gaddafi, als sich die Wege der beiden in Tunis trennen. Doch Finch
wäre nicht Finch, wenn seine Neugier dadurch nicht besonders geweckt
worden wäre. Dem Gespräch war einiges vorausgegangen.
Finch hatte
sich eine alte DC-3 zugelegt. Die stand auf dem libysche Flughafen Ghad
irgendwo im Nirgendwo und wurde dort flugtüchtig gemacht. Zusammen mit
Amber Rains wollte er die Maschine nach Tunis fliegen. Beim Abflug stand
Gaddafi vor ihm. Finch hatte keine Wahl und musste ihn und seinen
Begleiter Umar mitfliegen lassen. Doch einem Finch droht man nicht. Bei
einem gewagten Flugmanöver wurde Gaddafi verletzt. Sein Begleiter Umar
starb an Genickbruch. Dabei fiel Finch ein Notizbuch in die Hände. Sein
Inhalt, insbesondere ein Bild, war Thema des obigen Gesprächs.
Der
Autor hat einen fesselnden und abwechslungsreichen Thriller
geschrieben. Es ist der dritte Roman, in dem der begnadete Flieger Finch
im Mittelpunkt steht. Auch einige weitere Bekannte durfte ich beim
Lesen wiedertreffen. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann
gezogen. Die knapp 800 Seiten verflogen wie nichts.
Schnell
merkte Finch, dass Gaddafis Warnung nicht aus der Luft gegriffen war. Er
wurde zum Gejagten. Dabei suchte er nur nach Informationen über ein
Bild, das sich im Notizbuch befunden hatte. Die eigentliche
Entschlüsselung der sprachlichen Inhalte legte er in die Hände eines
englischen Kryptologen.
Der Schriftstil des Buches ist gewohnt
abwechslungsreich. Das beginnt schon damit, dass mehrere
Handlungsstränge anfangs nebeneinander laufen. Erst im Laufe der
Geschichte werden nach und nach die Zusammenhänge aufgedeckt. In einem
dieser Nebenlinien spielt Alexander Reiter die Hauptrolle. Er bringt
gestohlene Kunstwerke ihren Besitzern zurück. Und dann führt mich der
Autor weit zurück in die Vergangenheit. In der Zisterzienserabtei
Cambron ist 13. Jahrhundert ein besonderes Dokument angefertigt worden.
Auch die jüngere Vergangenheit spielt eine Rolle. Bei der Besetzung des
Klosters Admont in der Steiermark war die SS im Jahre 1939 nicht
zimperlich. Menschenopfer waren im Vorab eingeplant. Was aber hat all
das mit einem Bild des Malers Poussin zu tun?
Neben rasanten
Abschnitten gibt es Momente der Ruhe. Ernste Themen wechseln mit
humorvollen Sprachstil. Finchs spitze Zunge ist nicht zu unterschätzen.
Llewellyns Humor bringt eine besondere Facette in die Geschichte. Dabei
gehören gut herausgearbeitete Dialoge zu den Glanzleistungen des Buches,
sei es zwischen Finch und Llewellyn oder Sanseverino und Maria, um nur
zwei Beispiele zu nennen, die sprachlich und inhaltlich völlig
gegensätzlich ablaufen. Sarkastische Bemerkungen über die politische
Lage und Moral dürfen nicht fehlen. Treffende Metapher finden sich an
vielen Stellen. Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Dazu
gehört auch, dass ich vielfältige Informationen über wichtige
Lebensabschnitte in ihrer Vergangenheit erhalte. Das gilt selbst für
sogenannte Nebenrollen. Da Finch von Kunst nicht allzu viel versteht,
war das für den Autor die Gelegenheit, mir als Leser Wissen über Bilder
und Kunsthandel zukommen zu lassen. Gleiches gilt für die Geschichte der
Handlungsorte. Als Beispiel möchte ich Kloster Admont herausgreifen.
Nach dem Lesen des Buches kenne ich nicht nur seine Historie, sondern
wurde genau über das Bauwerk und seine Besonderheiten unterrichtet. Auch
die österreichische Nachkriegsgeschichte wird thematisiert.
Immer
neue Ideen sorgen für eine Erhöhung des Spannungsbogens. Die Geschichte
liest sich wie ein Wettlauf um die Entschlüsselung des Buches. Nicht
nur Geheimdienste, auch was in der Unterwelt Rang und Namen hat, ist
hinter Finch und seinem Wissen her. Dabei ergeben sich ungewöhnliche
Koalitionen. Mathematische Spielereien und Grundlagen der Kryptologie
gehören zum Handwerkszeug für die Lösung des Rätsels.
Einige Bilder von Poussin veranschaulichen die Geschehen und zeigen die Besonderheit der Gemälde.
Das Cover mit der DC-3 passt perfekt zur Handlung.
Das
Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es steckt voller ungewöhnlicher
Ideen und bleibt trotzdem an den meisten Stellen nahe an der Realität.
Der Autor beherrscht die Fähigkeit, auf dem schmalen Grat zwischen
Wirklichkeit und dichterischer Freiheit gekonnt zu balancieren.
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